Reizdarm – Wenn man “sonst nichts findet”

Ständige Bauchschmerzen, immer auf der Suche nach dem nächsten WC, Blähungen, Durchfälle oder Verstopfung, manchmal beides im Wechsel, alles dreht sich um den Darm.
Ein Zustand, die ReizdarmpatientInnen zur Genüge kennen. Und doch werden sie oft abgestempelt und bekommen die Diagnose Reizdarmsyndrom gestellt, weil man eben “sonst findet nichts findet”. Aber was genau steckt hinter dem Begriff “Reizdarm”, wie kann man dieses Syndrom diagnostizieren und gibt es Dinge, die man als ReizdarmpatientIn überhaupt problemlos essen kann?

Was versteht man unter dem Reizdarmsyndrom?

Beim Reizdarmsyndrom (Colon irritabile), kurz RDS genannt, handelt es sich um keine eigenständige Erkrankung, sondern eher um einen Sammelbegriff für eine Gruppe funktioneller Darmveränderungen mit unterschiedlichen Symptomen. Es ist für bis zu 50% der Vorstellungen beim Hausarzt und ca. 25% der Vorstellungen beim Gastroenterologen verantwortlich.

Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass ein komplexes Zusammenspiel genetischer Faktoren, entzündlicher Prozesse, erhöhter Durchlässigkeit der Darmschleimhaut, verstärkter Empfindlichkeit der Bauchorgane, Dysbiose (Ungleichgewicht der Darmflora) und eine Veränderung der Darm-Hirn-Achse zur Entstehung des RDS beitragen können.

Die Krankheitshäufigkeit (Prävalenz) in der Bevölkerung beträgt ca. 10%, wobei es regional, sozioökonomisch sowie je nach Bestimmungskriterien große Schwankungen geben kann. Das RDS kann in allen Altersgruppen vorkommen, wobei es häufiger das weibliche Geschlecht betrifft. In der zweiten und dritten Lebensdekade überwiegen Frauen im Verhältnis 2:1.

Typische Beschwerden und Diagnostik

Betroffene klagen häufig über krampfartige, dumpfe Bauchschmerzen, Völlegefühl, Blähungen sowie über Stuhlunregelmäßigkeiten. Während Frauen in erster Linie von Bauchschmerzen und Verstopfung berichten, geben Männer häufiger Durchfall an. Die Symptome können jedoch sehr unterschiedlicher Natur sein und nicht nur den Magen-Darm-Trakt betreffen. Zu den häufigen nicht-gastrointestinalen Beschwerden zählen Müdigkeit, allgemeine Erschöpfung, depressive Verstimmungen, Angst-, Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Kopf- und Gliederschmerzen bis hin zu Kreislaufstörungen.

Die Abklärung des RDS umfasst eine detaillierte Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese), eine genaue körperlichen Untersuchung, laborchemische Untersuchungen von Blut und Stuhl, sowie apparative Untersuchungen wie Koloskopie, Gastroskopie und Abdomen-Sonographie. Des Weiteren ist eine ausführliche gynäkologische Begutachtung empfohlen. Nach Ausschluss anderer möglicher Ursachen wie Infektionen, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Zöliakie, Laktoseintoleranz, Fruktosemalabsorption, Dünndarmfehlbesiedlung, Pankreasinsuffizienz und Krebserkrankungen kann unter Berücksichtigung der ROM-IV-Kriterien die Diagnose eines RDS gestellt werden.

Rom-IV-Kriterien

Diese Kriterien dienen zur Diagnose des Reizdarmsyndroms und beinhalten folgende Symptome: wiederkehrende Abdominalschmerzen (Bauchschmerzen), durchschnittlich einmal pro Woche, mit einem Symptombeginn vor mehr als sechs Monaten, dabei müssen Diagnosekriterien über drei Monate erfüllt und mit mindestens zwei der folgenden Faktoren assoziiert sein.

  • assoziiert mit der Stuhlentleerung
  • assoziiert mit einer Veränderung der Stuhlgewohnheiten
  • assoziiert mit einer Veränderung der Stuhlkonsistenz

In Abhängigkeit der führenden Symptomatik unterscheidet man folgende Reizdarm-“Typen”:

  • Obstipationstyp (Leitsymptom Verstopfung)
  • Diarrhoetyp (Leitsymptom Durchfall)
  • Mischtyp (Diarrhoe und Obstipation im Wechsel)  
  • Schmerztyp
  • Blähtyp

Prognose

Die Prognose des RDSs ist sehr unterschiedlich. Es sind kurze Verläufe mit Spontanheilungen genauso wie chronische, wiederkehrende Verläufe möglich. Es ist jedoch wichtig festzuhalten, dass das Colon irritabile weder mit der Entwicklung anderer schwerwiegender Erkrankungen noch mit einer erhöhten Sterblichkeit einhergeht. Betroffene PatientInnen haben jedoch ein höheres Risiko, operiert zu werden (Gebärmutter-, Gallenblasen-OPs) als Nicht-ReizdarmpatientInnen.
Die Therapie des Reizdarmsyndroms umfasst ein großes Spektrum. Es empfiehlt sich ein ganzheitliches Behandlungsprinzip unter Berücksichtigung von körperlichen und seelischen Aspekten.  

Ernährungstherapie – die Low-FODMAP-Diät

Von der sogenannten low-FODMAP-Diät profitieren rund 75% der Betroffenen. Es handelt sich dabei um eine Art Eliminationsdiät, bei der verschiedenste Kohlenhydrate, von denen bei ReizdarmpatientInnen eines oder mehrere zu Beschwerden führen kann, gemieden und dann in einer Testphase langsam wieder eingeführt werden.
Das Wort „FODMAP“ steht für fermentable oligo-, di-, monosaccharides and polyols, also fermentierbare Mehrfach-, Zweifach- oder Einfachzucker, sowie Zuckeralkohole.

Zu diesen Kohlenhydratgruppen zählen Laktose, Fruktose, Sorbit, z.B. in Marillen oder anderem Steinobst enthalten, Mannit (beispielsweise in Pilzen) und andere Zuckeralkohole, Galaktane aus Linsen oder Artischocken, und Fruktane.
Fruktane sind für viele Menschen am schwierigsten zu meiden, da sie in sämtlichen heimischen Getreidearten, Zwiebel und Knoblauch enthalten sind. Als Diätologin unterstütze ich PatientInnen dabei, passende Alternativen für diese Phase zu finden. Sie können mich gerne jederzeit kontaktieren.

Die FODMAP-Diät besteht im Grunde aus drei verschiedenen Phasen, einer Eliminations-, einer Testphase sowie der Langzeiternährung, der dritten Phase. Bevor diese Diät durchgeführt wird, sollten allerdings einige Untersuchungen gemacht werden, um sicherzugehen, dass nicht doch eine andere Erkrankung Ursache der Beschwerden ist. Zu diesen zählen:

  • Colo- und Gastroskopie (Darm- und Magenspiegelung)
  • Zöliakiediagnostik, Abklärung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen
  • Oberbauchultraschall
  • H2-Atemtests (Untersuchungen zur Diagnose von Laktose-, Fruktose- und Sorbitintoleranz)
  • Stuhluntersuchung (Elastase zur Beurteilung der Bauchspeicheldrüsenfunktion)

Da viele ReizdarmpatientInnen jedoch oft schon lange auf der Suche nach dem Ursprung ihrer Probleme sind, sind vor der Ernährungsberatung häufig schon viele dieser Untersuchungen durchgeführt worden.

Die Eliminationsphase

Hier geht es darum, sämtliche Lebensmittel, die FODMAPs enthalten, zu meiden. Hierzu werden PatientInnen natürlich intensiv geschult und mit Listen ausgestattet, anhand derer sie sich in dieser Phase orientieren können.
Zu Beginn jeder Phase wird ein Fragebogen zu Beschwerden und Problemen ausgefüllt, um diese bewerten zu können. Ziel ist es insgesamt, eine adäquate „Punktereduktion“ und somit Verbesserung der Beschwerden zu erreichen und diese auch wirklich sichtbar zu machen.

Je nach Schweregrad, Häufigkeit und Frequenz der Beschwerden, dauert diese Phase einige Wochen, maximal jedoch 8. Vor allem bei selten auftretenden Verdauungsproblemen braucht es oft ein wenig länger, um sicher sagen zu können, dass die Beschwerden nun völlig verschwunden sind.

Phase 2 – die Testphase

Zu Beginn dieser Phase wird natürlich wieder der Fragebogen ausgefüllt. Sind die Beschwerden wirklich deutlich weniger und der Patient/die Patientin somit bereit für die nächste Phase?
In der Testphase geht es darum, einzelne Vertreter der gemiedenen FODMAP-Gruppen wieder einzuführen, um zu erkennen, welche Mengen davon gut vertragen werden. Ein Test (pro Lebensmittel) dauert 2-3 Tage, je nachdem, wann Beschwerden auftreten und kann wie folgt aussehen (Beispiel Knoblauchfruktane):

  1. Tag: ½ Knoblauchzehe mitgekocht, NICHT mitgegessen
  2. Tag: ½ Knoblauchzehe mitgekocht und mitgegessen
  3. Tag: 1 Knoblauchzehe mitgekocht und mitgegessen

Zwischen den einzelnen Tests sollten 1-2 Tage Pause liegen, bzw. so lange, bis etwaige Beschwerden wieder völlig abgeklungen sind. In dieser Zeit gelten wieder die Regeln der ersten Phase.
Normalerweise wird als erstes Lebensmittel jenes getestet, das der/die Betroffene am meisten vermisst. Die Reihenfolge der Tests ist also individuell abstimmbar.

Die Langzeiternährung

Aus den Tests sollte nun klar hervorgehen, welche FODMAPs problemlos gegessen werden können und welche eher zu Beschwerden führen. Zusätzlich zu jenen Lebensmitteln, die bereits in Phase 1 gegessen werden durften, ergibt sich nun eine persönlich abgestimmte „Lebensmittelliste“, anhand derer sich der Patient/die Patientin nun langfristig orientieren kann.

Sollte es zwischendurch durch Stress, Krankheit oder Vernachlässigung der „Rahmenbedingungen“ erneut zu Reizdarmbeschwerden kommen, kann jederzeit zur ersten Phase zurückgekehrt werden. Diese biete also auch eine Art Anker, an den man sich so lange halten kann, bis es einem wieder besser geht und Beschwerden abgeklungen sind.

Gerne bin ich beim Thema Reizdarm ihre Ansprechpartnerin in Ernährungsfragen!

Dieser Beitrag ist mit fachlicher Unterstützung von Dr. C. Corena (FA für Innere Medizin) enstanden. Vielen Dank!